Sonntag, 27. September 2009

Reeperbahnfestival

Es ist schwierig einen Anfang für diese kleine Geschichte zu finden. Als ich von Mel aus Kiel und Laboe zurückkam, schnappte ich mir in einem Zuge drei Bier und mein Ticket, kaufte schnell noch Ohrstöpsel und fuhr auf den Kiez. Riesen Traram auf dem Spielbudenplatz, überall Aussteller von Konzertpostern und Merchandise von St.Pauli, den Ticketcounter musste ich mir hart ersuchen in diesem Gewimmel. Nachdem meine Konzertkarte zum Armband wurde, brach ich mit Umweg über den Finlandia-Stand zum Bunker hinter dem Heiligengeistfeld auf. Das Übel&Gefährlich war Station 1 des Abends: Orka feat. Yann Tiersen. Ein faszinierender Laden. Couch auf dem Klo, Pissrinne vor dem Fenster mit atemberaubendem Blick auf's Feld, Dachterasse in 50 Meter Höhe und Kuchenverkauf an der Garderobe. Orka entpuppte sich als experimentelle Sphären-Sigur-Ròs-Verschnitt-aber-von-den-Färöer-Inseln-Band, die nicht nur durch ihre Sprache, sondern ebenso durch ihre selbstgemachten Instrumente überzeugten. Klänge wurden durch das funkenreiche Schleifen von Metall am Schleifstein oder den Variationen der Einstellungen am Mischpult erzeugt. Mein Lieblingsinstrument bestand aus mehreren unterschiedlich stark gefüllten Plastikflaschen, die durch Luftpistolen am Kopf verschiedene Töne erzeugt. Es wurden ebenfalls selbsgeschnitzte Holzstücke mit Saiten bestückt und an den Verstärker angeschlossen, alles in allem eine wilde Kombination, die aber im Endeffekt eine wunderbare Klangfarbe zum Gesang bot. Der Sänger sah erschreckenderweise wie Banni aus, doch brauchte ich mich nicht sonderlich viel auf ihn konzentrieren, sondern widmete mich voll und ganz meiner linken Seite, der Sängerin und Yann Tiersen. Sie war eine schöne Frau, trug ein rückenfreies und grünes Kleid, tanzte in ihrer Strumpfhose über die Bühne und schien mit ihrem natürlich unbekümmerten Lächeln zu schweben, ein Bildnis der Anmut... Normalerweise würde ich auf Drogen schließen, aber diese einsamen Nordlichter haben eben diese Eigenarten. Yann hingegen hielt zumeist seine Augen geschlossen, konzentrierte sich auf seine Holzstock-Violine und wippte immerfort den Takt mit seinen Chucks, auf seinem Bandshirt von Grinderman stand "NoPussyBlues" - nein, das war es wirklich nicht. Er ist übrigens Fingernägelkauer, falls das jemanden interessiert.
Die Musik versetzte mich in eine angenehme Trance, einen Traum aus dem ich erst beim Merch-Stand erwachte. Ich hatte eine CD gekauft und schaute leicht verwirrt drein, als neben mir Yann Tiersen den Verkäufer nach Maurice fragte. "No idea" antwortete er prompt und der Künstler verschwand mit wilder Haarfrisur hinterm Vorhang.

Als nächstes ging ich in die Makrele, einer kleinen Kneipe in der Talstraße, bekannt durch ihren Kicker und dem Staropramen vom Fass. Doch heute lockte mich die Ausstellung "Dancing Shoes" hierher. An den Wänden hingen Fotos von den Schuhen aller möglichen Frontsänger, von den Hushpuppies, über Mia zu den Beatsteaks. Leider waren es nur ein gutes Dutzend, den Rest würde man im Fotobuch finden, 20€ kostet der Spaß. Da ließ ich lieber Geld an der Theke, trank mein Bier und stellte mich vor's Docks.
Als einer der Letzten wurde ich in den D-Club gestopft, das Fassungsvermögen von 1500 Zuschauern war längst überschritten, doch für meine Drängelerfahrung und Körpergröße stellte die Menge nur ein kleines Problem dar. Wo ich zunächst auf Granit biss, weil große Menschen nicht verstehen, warum man sich gerne vor sie stellen möchte, glitt ich wenig später wie eingefettet durch, ein gekauftes Bier (0,3 für 3,30€!) über die Köpfe gehalten, bewirkte wahre Wunder und so fand ich mit auf einer bequemen Sitzanhöhe an der rechten Seite wieder, niemand stand höher als
ich zehn Meter von der Bühne entfernt. Die tanzenden Mädels neben mir kamen aus Düsseldorf, die beiden älteren Typen auf der anderen Seite aus London, so waren die Gespräche nicht zu rar, die Wartezeiten angenehm kurz und Friska Viljor heizte uns allen gut ein, es machte einfach Spaß die Schweden mit der Mandoline zu hören.
Mehr aus Neugierde, als durch wirkliches Wissen um die Band blieb ich an meinem Platz stehen. The Editors waren mir zwar ein Begriff, doch musste ich erst die Schwärmereien der Engländer anhören, bevor ich Begriff, dass das hier kein
übliches Indie-Konzert sei, sondern eben etwas Besonderes, denn draußen standen laut Gerüchten weitere Massen, die unbedingt hineinwollten, der Headliner vom Dockville hat die Hamburger anscheinend überzeugt. Eine Show und Bühnenpräsenz wie Coldplay, die Stimme von Ian Curtis und die schnellen Gitarrenakkorde ließen die Stimmung einen Salto machen, ich wurde auf einmal müde, der Kater begann mich um 1:30Uhr nachts zu nerven und ich wünschte mir mein Bett hierher. Munich wurde gespielt, ich war froh, dass es nun endlich vorbei war, doch bleibt mir dieses Konzert in Erinnerung - The Editors werde ich mir nochmal ansehen.
Als ich endlich um 2:30Uhr zu Hause ankam und den Schlüssel in das Schloss zu zirkeln versuchte, bemerkte ich ein paar silberfarbende Tütchen mit Karte auf der Türschwelle. Christian Carstensen legt Tütencappuccino gegen die Unentschlossenheit am Wahltag vor jede Haustür. Mir schmeckte es heute morgen nicht...

Dienstag, 22. September 2009

Montag, 21. September 2009

Nachtrag:

Es ist Montagnacht (hässlich diese Neue Rechtschreibung reloaded) und das Piepen in meinen Ohren ist immer noch da. Da haben auch die selbstgebastelten Ohrstöpsel aus Bierflaschenetiketten nicht wirklich geholfen...

Sonntag, 20. September 2009

Tocotronic

Die Flora feiert 20 Jahre Besetzung und halb Hamburg möchte dabei sein. Zu diesem Anlass kündigten sich die alten Hasen von Tocotronic an, die immerhin ihr allerstes Konzert eben hier spielten. Kein Wunder also, dass die Schlange vor dem Laden bereits zwei Stunden vor Einlass unendlich lang war. Erprobt durch Oasis und anderen Bands, fand ich meinen Weg durch die Menge und mischte mich unter die ersten 100 Leute , sodass mein Einlass so gut wie möglich abgesichert war. So kam ich mit diversen Menschen ins Gespräch, Schüler, Studenten und anderer Abschaum aus St. Pauli bescherte mir einen grandiosen Abend. Neue Bekanntschaften schloss ich bereits in der Schlange vorm Eingang, ein faszinierendes Ergebnis der Propagandamaschinerie, denn alle waren sie da und hineinpassen würden nur die wenigsten - oasiserprobtwie ich bin, sicherte ich mir den Platz durch dezentes "Nicht-hinten-sondern-vorne-Anstellen", lachte noch mit einem Geografiestudenten über die Leute, die sich wirklich brav in eine Reihe bis zum Kiosk hinstellten und trank mein Bier - noch eine Stunde bis zum Einlass...
Nur Vierhundert Leute wurden hineingelassen, was angesichts der Größe des Raums (siehe rechts) auch zu empfehlen ist. Für einen Fünfer war man dabei und kam in den Genuss von drei Bands, doch bis dahin hieß es schnacken, trinken und Toilette. Überraschenderweise stolperte ich dabei in eine kleine Gesprächsrunde rund um einen Franzosen, der seit kurzem in Hamburg lebt und Auslöser einer Diskussion über Französischbücher, Politik und Oasis wurde. Als dann bereits ein Dutzend Leute das Klo besetzten und fiebrig den Ausstieg Noels reflektierten, kam kein Engel, sondern Dirk durch die Tür. Natürlich war seine Meinung gefragt, doch flüchtete er sich schnell durch die Ausrede "Oasis? Kenne ich nicht.". Schade drum, aber es dauerte nur eine Minute bis Rick hereinkam und ein wenig mehr Zeit für uns hatte. Natürlich sei alles schrecklich und so, eine Runde Lucky Strike Smooth Taste für alle Hungrigen und schon war er wieder weg. Die Floristen schmissen uns kurze Zeit später auch heraus, wir stellten ja ein Verkehrshinderniss für alle Pisser dar, also zurück in den Saal und den Vorbands Aufmerksamkeit schenken.
Kurz vor Mitternacht war es dann soweit: Tocotronic betraten die Bühne, grüßten die Schanze und bedankten sich dafür, dass sie nun zum 20. Jubiläum der Florabesetzung wieder hier spielen können, wo einst ihre Karriere begann. Das Konzert wurde nach draußen hin übertragen, da sich dort wohl mehr Menschen aufhielten, die das Konzert sehen wollten, als drinnen, laut genug war es allemal. Freiburg eröffnete ganz untypisch, aber als Warmmacher ideal, die Menge tobte, pogte und sprang laut grölend durch den Raum, eine Stimmung wie auf einem Punkkonzert, selbst bei neueren Liedern - die Hardcore-Fans kamen auf ihre Kosten. Dirk riss in einer Strophe der Gurt und setzte den Gesang abprupt aus, doch das Publikum sang wie auf Komando die Hütte zusammen, die Jungs von der Bühne blickten sich lächelnd an, draußen muss dies noch mehr Eindruck erweckt haben. Es wurde übrigens kein neues Stück gespielt, denn schließlich war das kein doofes Promo-Konzert, sonder ein Geschenk an alte wie junge Hasen der Toco-Fangemeinde - ein Fest.
Ich erwachte mit der Setlist in der Hand. Irgendwie war ich müde, die Uhr zeigte bereits 2 Uhr nachts und die Leute strömten aus der stickigen Bude nach draußen auf's Schulterblatt. Ein merkwürdiges Gefühl, wenn man aus dem alten Theater tritt und von den Stufen herab ein verdammt großes Publikum sieht, das alle Blicke nur auf die Fans von drinnen gerichtet hat, wie sie dort die Treppen herabsteigen, heldenhaft von der Schlacht wiederkehren.
Und heute: Meine weißen Pointer drehen Runden in der Waschmaschine, die Dreckskrusten weiche ich gleich in der Wanne auf, doch überlege ich noch fieberhaft, wie ich dieses Piepen aus den Ohren bekomme... Ich probier's mal mit ABBA.

Möhren der Woche!

Freitag, 18. September 2009

Tanke und neues Möbelstück

Piet meinte es gut mit mir. Zusammen schleppten wir aus seinem Studio dieses Ungetüm von Ohrensessel - es ist rot, unbefleckt und zudem äußerst bequem, de facto eine gute Partie für mein junges zu Hause. Platzprobleme erschwerten die Standortsuche, doch ein geheimer Tipp wies mich unter das Fenster neben dem Fernseher, wo ich nun in aller Gemütlichkeit sitzen, essen, trinken, surfen und fernsehen kann - das Loch im Polster zum Scheißen fehlt allerdings noch.
Ansonsten läuft alles wie gewohnt und ohne besonders brisante Ereignisse ab. Montag war ich an der Schanze, neue Leute treffen und beim Biertrinken zusehen. Die Jungs sind allesamt gute Männer, der Alkohol ließ sie singen und tanzen, doch der Höhepunkt des Exkurses war der Tankstellenwart bei Shell...
Nachschub wurde besorgt. Bier auf die Theke, kassieren... und den Verkäufer "Yilmaz" fragen, warum er die ganze Zeit klassische Musik hört. Nachdem draußen das erste Astra geleert wurde, kam er plötzlich heraus und stellte sich unweit von uns ins Licht der Werbereklame. Ehe uns ein lässiger Spruch entwichen, zauberte Yilmaz einen 15cm-Johnny aus seiner Shell-Uniform und begann mit dem Konsum. Da staunten wir nicht schlecht. Sein Kommentar dazu: "St. Pauli!"

Dienstag, 8. September 2009

Der Rieslingpokal

Erst wollte ich nicht nach Kiedrich. Der BSV fährt alljährlich in dieses kleine Örtchen im hessischen Rheingau, um den Rieslingpokal zu verteidigen. Der Mannschaftswettkampf an sich ist alles andere als offiziell, nämlich ein reines Spaßturnier ohne Waage, ohne offizielle Kampfrichter und einer viel zu kleinen Halle. Wozu also dorthin auf's Land fahren? Mir wurde etwas von Bierpilz, Party im Zelt und Schlafen in der Halle erzählt und von da an hatte ich mich entschieden: Da muss man mit!
Am Wochenende also ging es los. Zwei Stunden Schlaf zuvor zeigten sich in meinen Augen und mussten im Auto fortgeführt werden, schließlich wollte ich noch kämpfen. Nach sieben Stunden Fahrt trafen wir schließlich mit der größten Delegation in Kiedrich ein; die anderen Mannschaften waren mir unbekannt... unglaubliche fünf Stunden dauerten die Kämpfe und am Ende hieß der Sieger "Bramfelder SV" und der weitere Verlauf des Abends war somit geklärt. Der Riesling fand schließlich den Weg in den Pokal und benetzte unsere durstigen Kehlen. Das Bier erledigte den Rest und schon besuchte man das Fest im Dorf, tanzte Cowboy und Indianer auf den Tischen und bestellte Taxen in alle Himmelsrichtungen.
Was für ein Wochenende.
Wacken light.