Donnerstag, 19. November 2009

Wichtel





Einmal bei der Arbeit und schon waren sie da und haben mir Teppich auf die Treppe gelegt, dafür bedanke ich mich ;)

Editors die Zweite

Mit Glück bemerkte ich noch rechtzeitig, dass die Editors in der Freiheit spielen und zufälligerweise eine Karte an meinem Kalender klebte - da war ja was...
Also die düstersten Gedanken einpacken und ab zum Kiez. Auf der Freiheit selbst konnte ich nicht das Prusten vermeiden, da sich eine schön geordnete Schlange von der 36 bis hin zum Halo erstreckte, natürlich wie in der Schule: in Zweierreihen. Diese Absurdität links liegen lassend, stellte ich mich in den kleinen Knubbel ganz vorn und hatte damit Glück einer der Ersten an der Garderobe zu sein - der Abend also gerettet.
Wintersleep eröffnete mit melancholischem Gitarrenindie, verpackt in kanadischen Holzfällerhemden, während mich die T-shirt-Preise aufregten; so kostete ein Maccabees-T sage und schreibe 20€ für made in Honduras - so teuer wie Oasis... Die Band selbst enttäuschte leider, da softer Indiepop nichts für die Bühne ist, jedendalls nicht in der Freiheit, wo übermorgen die Höhner spielen sollen... Nee, die Maccabees gehören zu den verliebten Pärchen ins Bett, zum Kuscheln. Teile des Publikums schienen ebenso fehl am Platz zu sein. Viele sahen aus, als wenn sie keine Karten für Depeche Mode zum Geburtstag bekommen hatten und deshalb als Trostpflaster hierhin gingen, weil die Editors ja auch so ähnlich sein sollen... Ein Pärchen vor mir (Reihe 10-20) entschloss sich Fotos mit der neuen Sony zu schießen. Der erste Kommentar vom Weibchen: "Maaah, hört doch mal auf zu klatschen" (die Band spielte bereits). Doof nur, wenn man zwischen den ganzen angereisten Briten steht, die schon während des ersten Refrains der Editors vollkommen durchdrehten und alles nochmal ordentlich durchmischten - ich sah sie jedenfalls nicht mehr wieder. Einige verschreckte Enddreißiger drängten Richtung Bar und die wenigen Jugendlichen veranstalteten einen Pogo-Hüpf-Wettbewerb mit betrunkenen Ü30ern - Punk's not dead und so. Nach dem viertem Lied suchte ich mir eine Homebase in Reihe 4 zwischen den kleinen Ellenbogenmädchen. Hier ließ es sich aushalten: freie Sicht direkt an der Bühne und wenig Gedränge.
Die Editors zu beschreiben fällt mir schwer. Tom Smith stellt jedenfalls die ganze Essenz dar. Eine Gänsehautstimme mit wunderlich großer Ähnlichkeit mit der von Ian Curtis, ein Charisma, das den Rest der Band verschwimmen lässt und vor allem eine Performance der besonderen Art: Abspacken deluxe! Keine Reden zwischen den Liedern, nur eine Zugabe und ein obligatorischer Schluck Whisky in den Verschnaufpausen deuten ganz klar in Richtung Rock'n'Roll, untermalt mit Synthesizern und einer Lichtshow à la Coldplay. Mir hat es die Sprache verschlagen, das Konzert lebte in mir, was selten vorkommt, da wenige Gruppen die nötigen Fähigkeiten dazu besitzen: gute Songs, Bühnenpräsenz und einen Frontmann, der das Publikum fesseln kann. Tolles Ding, weiter so!

Monsterkohlrabi

Mittwoch, 11. November 2009

Nachholbedarf

Jau, ich habe den Blog schleifen lassen... Beabsichtigt war es zumindest nicht, aber notwendig. Aufarbeit.

Die letzten Wochen verbrachte ich größtenteils bei Eisdeerns, vorm Mac oder im Zug. Meine Bewerbung stand an und da half nur ein minimales Abkapseln von allen überflüßigen Aufgaben. Meine Chatsucht einzudämmen, hätte sich sicher zu fatalen Konzentrationsschwierigkeiten entwickelt, also brav Kontakt pflegen und nebenbei fleißig schreiben, Musik hören, Simpsons, Schmidt und Nachrichten schauen - ja, es verlief sicher nicht optimal, jedoch besser als die Fuckarbeit damals!
Nun sind die Lappen abgeschickt und nun fallen mir nach und nach die ganzen
Dinge ein, die ich während der "Arbeitszeit" verantwortungsbewusst ausklammerte. Da war ich zum Beispiel bei den Rifles (zum vierten Mal mittlerweile). Im Docks war die Stimmung ausgelassen, das Bier teuer, aber der Körper auf 230 - Trainingsausfall hinterlässt angestaute Energie. Zufällig stand neben der Bar Rob Pyne, der Bassist, und sah der Vorgruppe zu. Natürlich belästigte ich ihn und erzählte von alten Zeiten in Köln, von Micha und seiner Flaschensammlung und von deutschen Fans - den treusten wie mir bestätigt wurde.
Wie ich dann nach Hause kam, weiß leider niemand, der Kopf dröhnte in der Kita und lautes Kindergeschrei verbesserte nicht die Situation. Gefeiert haben wir alle, das ist sicher und Leute habe ich ebenfalls kennengelernt.
Nun höre ich viel Harrisons. Klingt gut, ist gut, haben es nur zu einem Album gebracht - besser geht es also kaum!

http://www.youtube.com/watch?v=Yil1wiK3McI

Übrigens ist Robert Enke tot, weißt du das?
Schande aber auch. Springer enthüllt vier Stunden später den gesamten Leidensweg, Sat1-Kerner reagiert prompt mit einem Spezial, viele bewegte Bilder, wenig sinnvolle Worte und auch leider keine heulende Verona, dafür aber Olli B. in den Nachrichten, ein beruhigender Zwanziger daneben und halb Deutschland in Hanoi, 96er-Schal in der Kirche, natürlich hält Käßmann die Andachtsrede, Merkel ist ja schließlich bei Nicolas, Bussi-Bussi und so weiter (wo war Guido?).
Ich freue mich schon auf Sonnabend.

Eine Initiative, Künstler und Frittenfett


Der Abend verbreitet bittere Kälte in Hamburgs zugigem Gängeviertel. In jedem Winkel flackern Grableuchten schwach in die Dunkelheit hinein und tauchen die Backsteinhäuser der engen Gasse in ein gespenstisches Licht. Es sind nicht Wenige, die noch jetzt am späten Sonntagabend entlang der teils verwahrlosten Gebäude schlendern und neugierige Blicke durch jede offen stehende Tür werfen.

Ihr Pappbecher dampft in der kalten Abendluft. Feline legt ihre Hausaufgaben beiseite und schlürft ein wenig Glühwein. „Ich bin schon seit Anfang an dabei“, sagt sie und streicht sich die Dreadlocks aus dem Gesicht. Als im August rund 200 Künstler die leer stehenden Wohn- und Fabrikhäuser zwischen Caffamacherreihe, Valentinskamp und Speckstraße besetzten, half auch die junge Schülerin mit. Feline wurde einfach „in die Arbeit eingebunden und davon gibt es immer genug“ – im Augenblick schenkt sie heißen Glühwein an frierende Besucher aus.

Ein älterer Herr humpelt auf seine Gehhilfe gestützt dem Samowar entgegen, wirft mit einem genuschelten Lob für die Initiative zwei Euro in die Spendenbüchse und trinkt seinen Becher aus. „Genau das wollen wir erreichen: Auf uns aufmerksam machen“, kommentiert Feline zufrieden. In der Tat stehen die selbsternannten „Bespieler“ des Viertels im Mittelpunkt der lokalen Nachrichten. Die modernen Redaktionsgebäude von Bildzeitung und Hamburger Abendblatt grenzen schließlich direkt an die verwahrlosten Grundstücke, „wir sind mittlerweile deren Lieblinge“ fügt sie mit einem zufriedenen Lächeln hinzu. In den ersten zwei Monaten der „Belebung der Gänge“ besuchten immerhin 15.000 Interessierte die Galerien und Veranstaltungsräume, jeden Tag werden es mehr. Meist bestaunen sie die Architektur des frühen 20. Jahrhunderts, bevor der Schritt in die Erdgeschosswohnungen gewagt wird. In jedem Eingang liegen Unterschriftenzettel für den Erhalt des Viertels als kreativen Raum für Hamburgs Künstler, die an diesem Ort die lang ersehnte Möglichkeit zur freien Ausstellung ihrer Werke gefunden haben.

Als Feline die nächsten Becher Glühwein füllt, entzündet sich plötzlich ein Feuer in der Metalltonne zehn Meter hinter ihr. Ein kleiner Zuschauerkreis sieht gespannt zu, wie die Flammen nach Luft gierend gen Himmel züngeln, während ein vollbärtiger Mann mit schulterlangem Haar zerrissene Kartonagen zum Schüren nachlegt. Ein genauer Blick offenbart die eigentliche Arbeit des Künstlers: Aus der Metallwand des Behälters wurde die Silhouette Klaus Kinskis herausgeschnitten, die nun durch das Feuer ein lebendiges Profil des verstorbenen Schauspielers erschafft. Neue Flammenstöße in weiteren Tonnen erwecken Ché Guevara und Michael Jackson zum Leben, das Publikum ist sichtlich fasziniert und flüstert andächtig untereinander, bevor sie ein geräuschvolles Knistern und Spritzen wieder verstummen lässt. „Frittenfett“, entgegnet der Langhaarige auf die fragenden Blicke, „hält das Feuer länger am Brennen“. Künstler wie er haben es in Hamburg schwer, da freie Flächen für kreative Arbeit fehlen. Ein zunehmender Teil wandert nach Berlin ab.

Trotz der rauchigen Luft und des Geruchs von Pommesbude, dringt aus dem nächstgelegenen Gebäude der Duft von Pasta. Ja, hier ist nicht nur Ausstellungs-, sondern auch Lebensraum für die vorläufigen Übergangsbewohner des Gängeviertels. Feline tritt ein und lädt sich den Teller voll, um sie herum das geschäftige Treiben der anderen Freiwilligen. Zwischen Spülschüssel, Geschirrkommode und dem fröhlichen Gelächter am Esstisch gewährt eine offen stehende Tür einen kleinen Einblick in die Öffentlichkeitsarbeit der Volksinitiative. Neben gestapelten Unterschriftenzetteln steht hier auch eine Buttonmaschine. Auf dem Tisch liegen einige bedruckte Bögen mit dem Slogan „Komm in die Gänge“ - die Botschaft ist klar.

Morgen sollen die ersten zwei Häuser geräumt werden.

„Wenn wir hier bleiben, während die Stadt die Übernahme an den Investor abwickelt, bricht sie dadurch den Vertrag“, erläutert Feline. „Am Ende würde der Steuerzahler belastet und das wollen wir nicht, schließlich sind wir alle Bürger dieser Stadt“, bekräftigt sie entschieden und fügt hinter vorgehaltener Hand hinzu: „Später gehen wir wieder rein, aber dann ist es das Problem des Investors“.

Feline trinkt den letzten Schluck aus ihrem Pappbecher und verabschiedet sich freundlich, bevor sie durch die Dunkelheit in Richtung Fabrikgebäude stapft. Von ihrem Revers blitzt ein frisch gestanzter Button auf: „Komm in die Gänge“ steht dort ein weiteres Mal geschrieben - Weiß auf Rot, das sind die Farben Hamburgs.

Gurke der Woche!